April 23, 2024

Schwächen offenbaren im Vorstellungsgespräch – ja oder nein?

Die Frage nach Schwächen gehört zu den Stressfragen, die uns bei einem Vorstellungsgespräch unter Druck setzen. Ehrliche Angaben können unsere Chancen hier genauso ruinieren, wie verbessern. Dafür ist die richtige Mischung zwischen Authentizität und positiver Auslegung notwendig.

Welche Schwächen offenbart man bei einem Bewerbungsgespräch am besten und wie nutzt man authentische Angaben, um besser anzukommen?

Die Frage nach Schwächen im Bewerbungsgespräch: Was steckt dahinter?

Die Frage nach Stärken und Schwächen hat sich für Bewerbungsgespräche etabliert. Damit man darauf souverän antworten kann, gehört etwas Vorbereitung dazu. 

Der erste Schritt dabei ist es zu verstehen, warum überhaupt nach Schwächen im Vorstellungsgespräch gefragt wird. Nur dann kann man die Antwort genau nach dem Zweck auslegen, den Personaler darin verstecken.

In den meisten Fällen hat die Frage nach Schwächen zwei Ziele:

  1. Die Frage ist eine Stressfrage, mit der Personaler die Bewerbenden bei dem Gespräch gezielt unter Druck setzen. So können sie erkennen, wie die Person mit der unangenehmen Frage umgeht und hinter der professionellen Bewerbungs-Maske etwas von der wahren Persönlichkeit des Interessenten entdecken.
  2. Durch die Frage ermitteln die Personaler, ob der Bewerbende selbstreflexiv ist, wie lösungsorientiert die Person ist und welche Lösungsstrategien sie besitzt und aktiv anwendet.

Mit einer guten Antwort auf die Schwächen-Frage kann man deshalb zum einen beweisen, dass man souverän und gut vorbereitet ist. Noch wichtiger ist es aber, zu zeigen, dass man seine Schwächen kennen und aktiv etwas tun, um sich zu bessern.

Wann ist Ehrlichkeit gefragt?

Den Personalern ist bewusst, dass es keinen Bewerbenden ohne Schwächen gibt. Deshalb wollen sie hier nicht hören, dass der Bewerbende fehlerfrei ist. Interessanter ist es zu erfahren, was der Bewerbende mit in das Team bringt, wie die sich bewerbende Person mit Hürden umgeht und ob sie eigenen Fehler eingestehen kann.

  • Ein gewisses Maß an Ehrlichkeit kann hilfreich sein, wenn man seine Schwächen angibt. So kann man neben der fachlichen Eignung auch mit Authentizität und Persönlichkeit punkten.

Da bei Bewerbungsgesprächen meist viele Bewerbende eingeladen werden, die auf dem Papier dieselben Eigenschaften und Vorerfahrungen haben, sind der Charakter und die Sympathie keine unwichtigen Faktoren. Ehrliche Antworten können deshalb gut ankommen, während gefälschte Angaben das Risiko mit sich bringen, von den Personalern – wenn auch nur unterbewusst – als „fake“ wahrgenommen zu werden.

  • Anhand authentischer Angaben können die Personaler besser abschätzen, ob man in das Team passt.
  • Genauso kann man davon profitieren: Gibt der Bewerbende Schwächen ehrlich an und die Personaler entscheiden sich dennoch für die bewerbende Person, erhöht sie die Chance, sich mit dem neuen Arbeitgeber wohlzufühlen, statt sich dort verstellen zu müssen.

Wie viel Ehrlichkeit gefragt ist, kann man anhand der Ausschreibung und der Firmenphilosophie des spezifischen Arbeitgebers erkennen. Ein familienfreundlicher Arbeitgeber hat eventuell mehr Verständnis für Einschränkungen durch das Privatleben, als ein „seelenloser“ Großkonzern.

Wann ist keine Ehrlichkeit gefragt?

Ehrlichkeit ist nur dann unter keinen Umständen gefragt, wenn die Schwäche genau mit der Berufsbeschreibung in Konkurrenz steht. 

  • Bewirbt man sich auf eine Assistenzstelle, darf man als Schwäche auf keinen Fall eine mangelnde Organisationsfähigkeit angeben.

In diesem Fall sollte man sich aber vor Augen führen, weshalb man sich auf den Job bewirbt und wie hoch die Chancen sind, dass man dort erfolgreich ist, wenn man die Voraussetzungen nicht erfüllt.

So kann die Frage getarnt sein

Nicht immer wird die Frage nach den Schwächen offensichtlich gestellt. Mit geschickten Umformulierungen wollen die Interviewpartner verhindern, dass auswendiggelernte Antworten auf die Schwächen-Frage gegeben werden.

Indirekte Fragestellungen nach den Schwächen eines Bewerbenden sind etwa:

  • „Wie würden Sie/Ihre Freunde/Ihr letzter Arbeitgeber Sie/sich beschreiben?“

Bei dieser Beschreibung gibt der Interviewpartner nicht vor, ob positive oder negative Eigenschaften genannt werden sollen. Stattdessen hofft er darauf, dass die Person Schwächen von sich aus offenbart, um eine ausgewogene Antwort zu geben.

  • „Welche Eigenschaften würden Sie an sich ändern?“

Hier geht es den Personalern darum, herauszufinden, in welchen Bereichen der Bewerbende sich für (noch) nicht gut genug hält. Im Umkehrschluss werden anhand dieser Verbesserungspotenziale aktuelle Schwächen ausgelegt.

  • „Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie gut gehen Sie mit Stress um?“

Bei dieser Frage kann „Stress“ auch mit anderen Begriffen ersetzt werden, die häufig zu Problemen auf der Arbeit führen, unter anderem „Veränderungen“ oder „Konflikten“. Angaben unter 7 werden von Personalern dabei als Schwäche interpretiert, während die Angabe einer 10 überheblich wirkt.

Beispiele für Schwächen, die man im Vorstellungsgespräch nennen kann

Damit man in dem Bewerbungsgespräch nicht auf dem Schlauch steht und von einer Stressfrage überrumpelt wird, sollte man sich immer auf mögliche Fragestellungen vorbereiten. Da die Frage nach den Schwächen häufig genutzt wird, findet man online viele Auflistungen möglicher Schwächen, die man hier nennen kann.

Zu beliebten Schwächen, die in Vorstellungsgesprächen genannt werden, gehören:

  • eine Lücke im Lebenslauf
  • noch geringe Berufserfahrungen
  • Nervosität vor Publikum
  • das Nicht-Nein-Sagen-Können
  • Perfektionismus
  • Schwächen im Delegieren
  • das Ruhig/Zurückhaltend-Sein
  • gelegentliches Chaos/Vergesslichkeit
  • mangelnde Geduld

Vorsicht mit 0815-Antworten

Das Problem bei manchen Antworten ist, dass viele Personaler sie häufig hören, weil Bewerbende sie in der Vorbereitung für Vorstellungsgespräche auswendig lernen. Diese 0815-Schwächen sind gezielt so ausgelegt, dass man sie auch als positive Eigenschaft verstehen kann.

  • Dazu gehört etwa die Angabe des Perfektionismus. Mit dieser Eigenschaft kann man zwar zugeben, dass man häufig nicht zufrieden mit seiner Leistung ist oder für manche Aufgaben mehr Zeit benötigt. Aber eigentlich steckt hinter dieser „Schwäche“ auch die Aussage darüber, dass das Endprodukt der Leistung stets so hochwertig wie möglich ist und man stets versucht, sich selbst zu übertreffen.

Wenn man Schwächen nennt, darf der Personaler nicht vermuten, dass die Beschreibung aus einem Ratgeber-Forum herauskopiert wurde, um eine optimierte Antwort zu geben. Das kann dazu führen, dass der Interviewpartner die Antwort und somit im weiteren Sinne alle Angaben für unehrlich hält.

So findet man individuelle Schwächen, die sich gut auslegen lassen

Bei der Angabe der Schwächen ist es wichtig, authentisch zu sein. Am leichtesten hinterlässt man diesen Eindruck, wenn die Schwäche nicht vollkommen ausgedacht ist. Deswegen sollte man bei der Auswahl möglicher Schwächen auch immer betrachten, inwiefern sie wirklich zutreffen und ob man das überzeugend nachweisen kann.

Hat man den eigenen Charakter untersucht und mögliche Schwächen erkannt, geht es darum, eine positive Auslegung für die Schwäche zu finden. Das ist mit der folgenden Faustregel gut erreichbar:

Faustregel für die Angabe von Schwächen

Beinahe jede Schwäche kann in einem Bewerbungsgespräch zum Erfolg beitragen. Das funktioniert, indem man sich an den Zweck der Schwäche-Frage zurückerinnert. Es geht darum, Selbstreflexion und Lösungsorientierung zu zeigen.

Deshalb gehören zu der Angabe von Schwächen immer drei Schritte:

  1. Die Angabe der Schwäche.
  2. Eine konkrete Gegenmaßnahme für das Problem.
  3. Erste Erfolgsmomente durch die Gegenmaßnahme.

Zum Beispiel:

  1. Die Schwäche ist „Nervosität vor öffentlichen Auftritten“.
  2. Wegen dieser Nervosität hat sich der Bewerbende entschlossen, einen Debattier-Kurs zu belegen.
  3. Dieser Kurs hat dazu geführt, dass sich der Bewerbende nun besser auf nervenaufreibende öffentliche Auftritte vorbereiten kann, um dabei souverän zu wirken. Dank dieser Erfolge ist er zuversichtlich, die Angst vor Auftritten in der Zukunft ganz ablegen zu können.

So gesteht der Bewerbende eine ehrliche und nachvollziehbare Schwäche ein, die viele Menschen haben, und erweckt damit Sympathie. Aber er zeigt zeitgleich, dass er aktiv an der Lösung des Problems arbeitet. 

Das nimmt nicht nur die Sorge, dass die Schwäche auf der Arbeit die Leistung beeinträchtigen kann, sondern sagt auch etwas über die hohe Arbeitsmoral der Person aus.

Fazit

Die Frage nach Schwächen führt bei vielen Bewerbenden zu der Angst, sich mit der Angabe als ungeeignet darzustellen. Dabei können viele Schwächen sogar positiv ausgelegt werden und dazu beitragen, dass man den Job erhält. 

Die wichtigste Faustregel für die Angabe dieser Schwächen ist die Authentizität. Ehrliche und nachvollziehbare Probleme sind die beste Antwort. Das gilt aber nur, wenn man darstellen kann, dass man sich über die Schwäche nicht nur bewusst ist, sondern auch aktiv daran arbeiten, sie auszubessern. Im besten Fall kann man in dem Bewerbungsgespräch schon erste Erfolge durch Gegenmaßnahmen angeben und so Lösungsorientierung und Motivation beweisen.

(Bild-Quelle: https://unsplash.com/photos/bwki71ap-y8)